TRADITION (working title).
See project TRADITION for brief.
Indepth description and summary of some of my conclusions based on research.
Weiterfuehrende Informationen ueber TRADITION
Mein Projekt TRADITION ist meine Untersuchung der Semiotik der Traditionskultur des Erzgebirges. Ich bereise das Erzgebirge mehrmals jährlich, um dort Spuren des historischen Bergbaus zu fotografieren, unter anderem die Stollnmundlöcher und die lokalen kulturellen Traditionen wie das weihnachtliche Schmücken der Fenster zwischen November und Februar (und manchmal darüber hinaus).
Am Erzgebirge interessiert es mich, Geschichte mit eigenen Augen nachverfolgen zu können, und zu sehen, wie politische und wirtschaftliche Entscheidungen, die vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten getroffen wurden, noch heute direkte Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung, Selbstdarstellung und Außenwirkung dieser kleinen Region haben. Die Geschichte der geographischen Erschließung, politischen Entstehung, die Wirtschaftsgeschichte im Erzgebirge sind von der Bergbauindustrie dominiert, deren Kultur ihrerseits vom Katholizismus der tschechischen Nachbarn und dem protestantischen Christentum der arbeitssuchenden Einwanderer aus Thüringen und dem Westen Deutschlands geprägt ist. Auch die erzgebirgische Holzkunst, wie Weihnachtspyramiden, Räuchermännchen und Schwibbögen, ist indirekt Resultat einer Verknappung der im Berg abzubauenden Ressourcen und daraus hervorgehenden Hinwendung zur Holzverarbeitung. Aus meiner Sicht gehören auch die sich seit den 90ern mehrenden Berichte über Rassismus und rechte Gewalt zu den indirekten Folgen.
Meine Forschung zum Erzgebirge schließt regionale Publikationen ein aus über hundert Jahren, z.B. das Erzgebirgische Heimatblatt, SACHSEN des NSDAP-Organs Heimatwerks Sachsens und die Zeitschrift Glückauf. Die Recherchen bildeten die Grundlage für künstlerische Experimente, so habe ich zum Beispiel die Figur des Lichter-Bergmanns und die des „Räuchertürken“ als Skulpturen im Raum dekonstruiert und über die einzelnen Teile jeweils Notizen zu deren Ursprung Interpretation aufgeschrieben.
Der erzgebirgische 'Räucher-' oder 'Lichtertürke' ist eine Weihnachtsdekoration, und ist einem stereotypisierten Osmanischen Türken nachempfunden. Er wurde ab dem späten 18. Jahrhundert im Erzgebirge in Handarbeit hergestellt. Zu einem Massenprodukt wurde er erst zu DDR Zeiten. In der Regionalliteratur wird die Figur oft als 'Fremder' bezeichnet. Es ist interessant, dass die Figur während des Dritten Reiches in Zeitschriften als beliebte Dekoration abgebildet wurde obwohl sie doch dem anti-'orientalischen' Dogma des Heimatwerk Sachsens entgegegen gehen musste. Waehrend der sozialistischen Zeit dagegen wurde der 'Türke' fast durchweg als erstes genannt wenn es darum ging, beliebte Raeuchermännchentypen vorzustellen. Nach meiner Analyse der mir verfügbaren Medien ist die Nennung und Abbildung des 'Räuchertürken' nach dem Mauerfall aus Publikationen über das und aus dem Erzgebirge weitgehend nahezu völlig verschwunden.
Mich beschäftigt diese Figur wegen der Objektifizierung des „Orientalischen“, und weil ich als jemand mit armenischen Wurzeln geographisch und kulturell quasi mit ihr in Verbindung stehe. Unwilkürlich sehe ich eine Verbindung zu den echten türkischen Menschen die seit der Wende im Erzgebirge leben.
Das Interesse für die Region stammt aus meiner Kindheit. Meine Mutter, die, als Angehörige der Armenischen Minderheit in Bulgarien geboren, ihre Jugend auch teilweise in der DDR verbracht hat, liebte die erzgebirgische Volkskunst die von ihr als Luxus betrachtet wurde, und dies hat sich auf mich als Kind übertragen. Später kam das Interesse hinzu für die Verbindung von Spiritualität, Natur und Architektur, die sich in der Bergbaukultur auf der ganzen Welt findet.
Während meiner intensiven Beschäftigung mit dem Erzgebirge hat sich unter anderem herausgestellt, dass die Saat für die politischen Entwicklungen in Sachsen der letzten Jahre bereits während der Zeit des Nationalsozialismus, und später in der sozialistischen DDR gelegt wurde, und auch Politik in den lokalen Traditionsreichtum eingeflossen ist, obwohl dies kaum diskutiert wird. Die politischen Ursprünge so mancher erzgebirgischer Tradition werden in Texten regionaler Publikationen, offiziellen Webauftritten der entsprechenden Städte, und örtlichen Heimatmuseen meistens unerwähnt gelassen.
TRADITION ist keine rein dokumentarische Arbeit, sondern eine durch meinen persönlichen Hintergrund informierte Reflexion der erzgebirgischen Traditionen und der Umstände, aus denen sie hervorgegangen sind, verbunden mit der Hoffnung, dass sie eine lebendige Zukunft in einer diversen Gesellschaft haben werden.
Further information on TRADITION
The project TRADITION is a reflection of Ore Mountains folklore and wants to make visible the tension that exists there between politics and tradition. I have travelled since 2014 several times a year to the Ore Mountains (German: Erzgebirge), to photograph the evidences of the historic mining, among them the adit openings and the local traditions like the elaborate Christmas window decorations.
My interest for the region stems from childhood. My mother, who, belonging to the Armenian minority in Bulgaria, intermediately had lived in the GDR, showed a special appreciation for the Ore Mountains wood art, which has transferred onto me. Later, as a Fine Arts student I became interested again in the shapes and colors of the traditional motifs in the wooden art, as well as their origin in the mining culture. The subjects of folk art and folklore have always been interesting to me. Soon I realized that my fascination for the aesthetics, the architecture and the folk art of the area could not exist disconnected from my interest for the political developments in Saxony (where the Ora Mountains are located). The fact is that the trench between the self-representation of the Ore Mountains in tourist brochures and its perception in the rest of Germany has widened ever since the arrest of helper of the terror group National Socialist Underground (NSU) and Ore Mountains native, André Eminger in the year 2011, at the latest since the Christmas-themed torch rally „Lichtellauf“ against asylum seekers in Schneeberg in 2013 organized by the NPD (a right-wing extremist party) with more than one thousand participants, and at the very latest since the infamous Nazi-rally in 2018 in Chemnitz, that put the city on the map on the world scale in the most unfavorable light.
My photographs, objects and text are based on a long-term-research of traditions, mining culture and politics in the Ore Mountains. Both, my artistic and my scientific research, using literature that encompasses regional publications from the past one hundred years from three different political systems (the Weimarer Republik, national socialism and the GDR), e.g. the Erzgebirgisches Heimatblatt and the magazine Glückauf, build the foundation for my art. For instance, I have deconstructed the figures of the so-called „Räuchertürke“, the smoker’s turk, the light bearing Miner (Lichterbergmann) and the Ore Mountains „Schwibbogen“, the candle arch, and re-built them as spatial sculptures, made notes about the individual parts and their origin, to point in this way to certain inconsistencies in their history.
During my research of mining and the festive christmas traditions I learned that the seed for the current political developments in Saxony was already laid during the time of national socialism and later in the socialist GDR. In addition, politics put a stamp on the rich local traditions.
I want to illustrate by using the example of the „Olbernhauer Reiterlein“, a mascot in life size on the market square in Olbernhau, that originated in the Winterhilfswerk, the winter relief, an NSDAP tool of propaganda that was initiated to acclimate the German population to war times. Or another example: the famous „Schwarzenberger motif“, that developed from the explicit open call for graphic designers to create a non-“oriental”, non-christian motif for the “Feierohmdschau”, a mega-exhibiton that took place in Schwarzenberg in 1937. It was developed under the sponsorship of F.E. Krauss who today is still regionally revered, who worked closely together with the Heimatwerk Sachsen, an instrument of the NSDAP cultural policy. The true political roots of beloved Ore Mountains tradition are continually left unmentioned in the writings of regional literature, official web presences of the respective cities and museums of local history. These texts are sometimes peppered with allusions to the positive influence that the cultural policy of the Third Reich had on the blossoming of folklore in general and the folk art industry in particular.
Manufacturers of wooden art and toys, who continue to use racist vocabulary for the denotation of their products acidify my personal consummation of the local offerings. This is why my project is not only a documentary work but a reflection of the Ore Mountains traditions and the circumstances of their origin informed by my personal background coupled with my hope that they will enjoy a lively future in a diverse society.
'Räuchertürke'
Der erzgebirgische 'Räucher-' oder 'Lichtertürke' der als Weihnachtsdekoration verwendet wird, entstammt weder der Bergmannskultur noch der christlichen Religion. Er ist einem stereotypisierten Osmanischen Tuerken nachempfunden und wurde ab dem spaeten 18. Jahrhundert im Erzgebirge in Handarbeit hergestellt. Zu einem Massenprodukt wurde er erst zu DDR Zeiten. In der Regionalliteratur wird die Figur oft als 'Fremder' bezeichnet. Es ist interessant, dass die Figur während des Dritten Reiches in Zeitschriften als beliebte Dekoration abgebildet wurde obwohl sie doch dem anti-'orientalischen' Dogma des Heimatwerk Sachsens entgegegen gehen musste. Waehrend der sozialistischen Zeit dagegen wurde der 'Türke' eigens in Werbeprospekten des VEB beworben und in der Regionalliteratur fast durchweg als erstes genannt wenn es darum ging, beliebte Raeuchermännchentypen vorzustellen. Die meisten anderen Raeuchermännchentypen stellen Handwerksberufe wie Förster, Jäger und aehnliches dar.
Nach meiner Analyse der verfügbaren Medien ist die Nennung und Abbildung des 'Räuchertürken' nach dem Mauerfall aus Publikationen über das und aus dem Erzgebirge zum großen Teil völlig verschwunden. Eine Ausnahme stellt das Buch 'Raeuchermänner im Saechsischen Erzgebirge', veröffentlicht 2000.